Leidenschaftliche Menschen sind allgemein sehr beliebt, sowohl in der Liebe, als auch im Beruf. Wer leidenschaftlich ist, der steht voll im Leben und kostet es aus, so heißt es. Doch was hat es mit dem Begriff Leidenschaft auf sich und warum wird dieser viel häufiger verwendet als der der Begeisterung? Gibt es Unterschiede oder sind es nur zwei Worte für die selbe Sache?
Die Beliebtheit der Leidenschaft
Der Begriff »Leidenschaft« liefert bei Google über 88,8 Millionen Treffer, wohingegen der Begriff »Begeisterung« nur auf ein Ergebnis von 28,4 Millionen kommt, also weniger als ein Drittel. Bei der Amazon-Büchersuche zeigt sich, dass der Begriff »Leidenschaft« mit über 40.000 Ergebnissen deutlich häufiger vorkommt als der Begriff »Begeisterung«, der lediglich 1.000 Ergebnisse liefert. Es entsteht der Eindruck, als seien die meisten Deutschen lieber leidenschaftlich als begeistert.
Der Ursprung der Begriffe
Wie immer gilt es die Begriffe genauer zu betrachten, möchte man sich dem Wesen und damit auch der Wirkung eines Begriffes nähern. Schauen wir diese uns im Folgenden genauer an.
Leidenschaft
Der Begriff Leidenschaft setzt sich aus zwei Silben zusammen:
»Leiden« und »Schaffen«
Der Duden beschreibt »Leiden« als »Gebrechen, Krankheit, mit der jemand über längere Zeit oder dauernd behaftet ist« bzw. »das Erleben von Leid«.
Das Deutsche Wörterbuch für Sprache beschreibt »Leiden« mit »von körperlichem oder seelischem Schmerz gequält werden«.
Der Begriff »Schaffen« wird vom Duden beschrieben mit »(durch schöpferische Arbeit, schöpferisches Gestalten) neu entstehen lassen; hervorbringen; zustande kommen lassen; zustande bringen«
Das Deutsche Wörterbuch für Sprache ergänzt die Definitionen durch »etwas bewältigen, erledigen, fertigbringen, erreichen.
Aus diesen beiden Recherchen erwächst die Erkenntnis, dass der Begriff »Leidenschaft« im Wesentlichen etwas anderes bedeutet, als wir allgemein glauben. Denn nach dieser klaren Definition der Worte ist es eine Angelegenheit die Leiden schafft.
Doch niemand will gerne leiden, dennoch wollen die meisten leidenschaftlich sein. Hier entsteht ein starker innerer Interessenskonflikt, der sich nur auflösen lässt, in dem man die Begriffe richtig deutet. Denn Begriffe sind mehr als nur zusammengesetzte Zeichen, sie haben stets eine gewisse Wirkung auf unser System.
Schauen wir uns den Begriff »Begeisterung« genauer an.
Begeisterung
Der Begriff »Begeisterung« enthält den Wortstamm »Geist«, die Vorsilbe »be« und die Nachsilben »er« und »ung«.
Zum Begriff des Geistes hat der Duden schon einiges mehr zu bieten, angefangen von »Mensch im Hinblick auf seine geistigen Eigenschaften; durch bestimmte Eigenschaften des Wirkens oder Sichverhaltens charakterisierter Mensch, geistige Wesenheit« über »denkendes Bewusstsein des Menschen, Verstandeskraft, Verstand; Scharfsinn, Esprit; Gesinnung; innere Einstellung, Haltung« bis hin zu »klares Destillat von unvergorenen, mit Alkohol versetzten Früchten, besonders Beerenfrüchten« sowie »Gespenst, Spukgestalt«.
Das sind sehr unterschiedliche Deutungen, daher braucht es an dieser Stelle eine genauere Betrachtung, um die Verstrickungen der Begriffe zu entwirren. Denn wenn eine Begrifflichkeit mit so unterschiedlichen Bedeutungen besetzt ist, können einerseits bestimmte Bedeutungen meist zusammengefasst werden, weil sie etwas ähnliches aussagen und auf der anderen Seite können auch falsche Deutungen der Begriffe dafür sorgen, dass es zu diesen verschiedenen Verknüpfungen kommt.
Doch bevor wir tiefer in dieses Thema eintauchen, betrachten wir die Vor- und Nachsilben. Die Vorsilbe »be« bildet vom Nomen (Geist) ein Adjektiv, weil es das entsprechende Verb nicht gibt.
Die Endung »erung« im Wort «Begeisterung« ist eine Nachsilbe, die aus einem Verb ein Nomen macht. Das Grundverb wäre hier «begeistern«. Durch das Hinzufügen der Nachsilbe »erung« wird das Verb in ein Nomen verwandelt, das die Bedeutung des Vorgangs oder des Zustands des Begeistertwerdens ausdrückt. Die Kombination von Vorsilbe «be« und Nachsilbe »erung« ergibt das Nomen »Begeisterung«. Soweit zur sprachlichen Theorie.
Die Klärung des Begriffes Geist
Widmen wir uns nun den verschiedenen Bedeutungen des Begriffes Geist, die uns die Wörterbücher lieferten und die wir zuvor kennenlernten. Kategorisieren wir diese zur besseren Übersicht. Es lassen sich dabei drei Rubriken aus den unterschiedlichen Bedeutungen der Wörterbücher ableiten.
Der Geist als Wesen
- Der Mensch im Hinblick auf seine geistigen Eigenschaften
- durch bestimmte Eigenschaften des Wirkens oder Sichverhaltens charakterisierter Mensch
- geistige Wesenheit
- Gespenst, Spukgestalt
Der Geist als Werkzeug
- denkendes Bewusstsein des Menschen
- Verstandeskraft
- Verstand
- Scharfsinn
- Esprit
- Gesinnung
- innere Einstellung
- Haltung
Der Geist als Reinform
- klares Destillat von unvergorenen, mit Alkohol versetzten Früchten, besonders Beerenfrüchten
Die Trennung von Spreu und Weizen
Beginnen wir mit dem Geist als Werkzeug. Hierzu habe ich in meinem Artikel »Der Unterschied zwischen Geist, Seele und Verstand« bereits ausführlich dargelegt, warum Geist und Verstand zwei vollständig unterschiedliche und für sich eigenständige Angelegenheiten sind. Daher kann diese Kategorie für die weitere Betrachtungsweise außen vor gelassen werden. Für das weitere Verstehen empfiehlt es sich, den genannten Text zu lesen.
Der Geist als Reinform in Verbindung mit Alkohol kann für unsere weiteren Forschungen ebenfalls bei Seite gelegt werden. Er spielt für den Moment keine Rolle, da wir uns einzig der Natur des Menschen widmen wollen.
Bleibt nun noch die Betrachtung des Geistes als Wesen. Wie in meinem Text »Der Unterschied zwischen Geist, Seele und Verstand« bereits deutlich hervorgehoben wurde, ist der Geist gleichzusetzen mit dem persönlichen Ich des Menschen, mit seiner Persönlichkeit, seinem Bewusstsein. In diesem Licht erscheinen daher die meisten Begrifflichkeiten in dieser genannten Rubrik als vollkommen logisch und nachvollziehbar.
Selbst die Bezeichnung eines Geistes als Gespenst oder Spukgestalt lässt sich mit diesem Wissen und jenem aus meinem Artikel »Warum das Leben nach dem Tode weitergeht« leicht nachvollziehen. Denn niemand anderes als erdgebundene Menschengeister können es sein, die als sogenannte jenseitig spukende Gestalten ihr Unwesen treiben.
Auch der Begriff »Gespenst«, der sich vom mittelhochdeutschen »spanen« ableitet, was »locken, reizen« bedeutet, macht schnell klar, dass es Gespenster als solches nicht gibt, sondern nur Menschengeister, die bereits ihre körperliche Hülle verlassen haben, doch weiterhin durch ihren guten oder schlechten Einfluss auf andere Menschen wirken.
Somit haben wir den Begriff des Geistes erst einmal ausführlich genug behandelt und können mit diesem Wissen zum nächsten Schritt übergehen.
Momente der Begeisterung
Nehmen wir nun zur Grundlage der weiteren Betrachtung, dass alles im Leben durchgeistet, also lebendig, ist und es nichts unlebendiges und totes gibt und dass ebenfalls alles miteinander in Verbindung steht und nichts losgelöst für sich selbst existiert. Dann kommen wir der wahren Bedeutung des Begriffes Begeisterung einen großen Schritt näher.
Angenommen jemand sagt, er sei begeistert von der Musik eines Johann Sebastian Bach, dann sagt er damit, dass er sich hat be-geistern lassen von jener Musik. Der Geist der Musik hat somit seinen Geist berührt. Der Geist der Musik hängt jedoch zusammen mit dem Geist des Künstlers, der diese Musik erschuf. Also spricht hier der Geist zum Geist. Ergänzend ist jedoch zu erwähnen, dass auch der Künstler das Musikstück aus geistigen Höhen empfing, doch das ist ein eigenes Thema, dem wir uns jetzt nicht widmen, um nicht zu sehr abzuschweifen.
Spricht man vom Zeitgeist, so ist der kollektive Geist vieler Menschen gemeint, die eine bestimmte Zeit durch ihr Verhalten oder ihr Denken prägen. Ähnlich verhält es sich beim Abenteuergeist, Innovationsgeist oder Friedensgeist. Es handelt sich dabei stets um eine bestimmte Form von kollektivem Geist, der im Wirken einer konkreten Richtung zustrebt und auf andere Menschen wirkt, sie also begeistert.
Begeistert einen Menschen etwas, dann ist er belebt, wie elektrisiert, entwickelt Tatendrang in sich und eventuell einen starken Willen. Ein begeisterter Mensch kann zu Höchstleistungen aufleben und ungeahntes schaffen. Die Begeisterung ist eine Lebensquelle des Menschen.
Begeisterung und Leidenschaft im Sprachgebrauch
Die folgenden Beispiele verdeutlichen, dass der Unterschied zwischen Leidenschaft und Begeisterung zwar im Detail liegt, doch dieses Detail maßgeblich für die innere Ausrichtung und damit das Wohlbefinden eines jeden verantwortlich ist.
Es ist ein bedeutender Unterschied, ob gesagt wird:
Bei rein oberflächlicher Betrachtung wird ein Unterschied nur schwer spürbar werden. Doch wer die feinen Antennen in sich aktiviert, wird das Ausmaß der Unterschiedlichkeit spüren. Die Empfindung geht bei beiden Begriffen in verschiedene Richtungen, die Leidenschaft führt nach unten, die Begeisterung hebt nach oben.
So wie oberflächlich betrachtet kein Unterschied besteht, ob ein Mund zu einem echten oder einem aufgesetzten Lächeln geformt wird, doch die genaue Betrachtung davon so maßgeblich viel beeinflusst, so ist es auch bei der Unterscheidung zwischen Leidenschaft und Begeisterung.
Begeisterung fördern, Leidenschaft meiden
Die Leidenschaft bringt stets das Leiden im Wort selbst schon mit und kann es deswegen nicht verhindern. Leidenschaft hat oftmals etwas zu tun mit unkontrollierten Emotionen und aus der Reihe tretenden Verhaltensweisen, die über jedes Maß schlagen. Leidenschaft ist meist drängend und fordernd.
Leidenschaft wird gelenkt von menschlichen Gefühlen und diese sind, bekannter Maßen, ein Produkt des Verstandes. Die Leidenschaft ist ein Hang zu etwas irdischen und oftmals entsteht sie aus einem Moment der Freude heraus, in dem der Mensch zwanghaft versucht diesen Moment der Freude immer wieder künstlich herbeizuführen. Dabei bindet er sich jedoch und kann sich zunehmend immer weniger den wahren Momenten der Freude öffnen, die nur durch einen offenen und ungebundenen Geist empfunden werden können.
Daher wird die Leidenschaft niemals über das Irdische hinaus ragen können, weil sie an Raum und Zeit gebunden ist. Eine Leidenschaft will zudem auch immer gesteigert werden, weil sie nie genug hat und immer mehr will. Das führt oftmals zu unkontrolliertem Verhalten bis hin zu Abhängigkeiten, Maßlosigkeit und Gier.
Begeisterung hingegen kann still und zurückhaltend sein, doch gleichzeitig undenkbar großes bewirken. Sie ist wie ein kleines zartes Pflänzchen, das gut gepflegt zu einem schützenden und starken Baum werden kann. Da Begeisterung geistiger Natur ist und Leidenschaft irdischer, wird die Begeisterung stets nach Reinheit, Natürlichkeit und Wahrheit streben, sie wird stets das Gute und Nützliche für Ihr Gegenüber im Sinn haben und nicht nur Ihrem Selbstzweck und der Lustbefriedigung dienen, wie es der Leidenschaft zu eigen ist.
Doch wie immer wird am Ende auch alles Dunkel dem Lichte dienen müssen. Selbst wenn Leidenschaft nur Leiden hervorruft, kann sie letztendlich dem Menschen durch eben dieses Leiden dabei helfen, ein bewussteres Dasein zu erreichen. Denn durch diese Erfahrung kann der Mensch aus dem Leid lernen, die falschen Wege zu kennen.
Somit wird am Ende das Wahre und Richtige immer siegen.
Zusammenfassend lässt sich sagen:
Die Leidenschaft bindet, die Begeisterung befreit.
Jeder Mensch entscheidet selbst, welchem der beiden Geister er dienen will.
Als Hörbeitrag auf Youtube